Es ist gerade ganz still um mich herum. Da können meine Gefühle mal zur Geltung kommen. Sie schnellen förmlich nach vorne in die erste Reihe, tanzen wie wild vor meiner Nase herum und sind sich nicht ganz sicher, ob sie mir Angst einjagen oder herzlich unterhalten wollen. Da ist auf der einen Seite meine tiefe Verbundenheit, zu mir und der gefühlten Sicherheit, dass ich mich auf dem rechten Weg befinde. Unmittelbar gegenüber auf der anderen Seite sehe ich, wie durch mehrere Schichten Transparent-Papier, all meine Erfahrungen die ich mit dem Leben-auf-dem-Land verbinde.
Meine Füße habe ich in eine Wolldecke gewickelt.
Ich fühle gerade so intensiv.
Gut, dass es still ist.
Früher hätte ich diese Stille nicht ertragen.
Ich warte die ganze Zeit, dass mir die Augen nass werden und Tränen die Wange hinab purtzeln. Aber das wollen sie gar nicht. Ich bin gerade fein berührt und glücklich, dass ich die bin, die ich mit all meinen Transparent-Papier-Lagen bin. Das vertraute, dunkle Blau-Braun-Grau, das sich aus den Tiefen meiner Vergangenheit immer etwas gehässig ins Hier durch-bäumen musste, es scheint freidlich in der Jetzt-Zeit seinen Platz in der Reihe des respektierten Erlebten eingenommen zu haben. Es quängelt nicht mehr. Es ist da, es hat weh getan, ja und es hat mich bis jetzt auch sehr geschüttelt. Es hat mich aber auch zu dem Menschen werden lassen, der ich bin. Es ist ein Teil von mir. Es wird immer dunkel Blau-Braun-Grau bleiben, aber es wird mich nicht mehr quälen.
Ich bin frei!
Ich habe mich, glaube ich, lieben gelernt.
Jetzt wird mir ganz warm. Ja, ich hab mich lieben gelernt und ich hab mich in den Arm genommen und mich angehört.
Freudig erregt schaue ich auf die Zeit die da kommen will, die mich an die Hände fasst und mich herum-schleudern will. So wie ein glücklicher Vater, der sein Kind an den Händen fast und es wohl wissend, sicher im Brause-Winde um-sich-herum-dreht. Wieder und wieder.
Ich juchze und doch wird mir schwindelig.
Schön, dass ich erst Halbzeit habe.
Das ich diese Stille in meinem Leben irgendwann einmal schätzen würde, hätte ich vor vier Jahren nicht geglaubt.
Danke Trauzeugin-Kerstin, das ich hier bei dir in der Schanze weilen und die Stille erhaschen darf. Das Brunch gestern mit den vielen lieben Menschen hat den Spannungsbogen meiner Gerührtheit natürlich noch einmal mehr unterstrichen. Ausserdem war es ausgesprochen lecker. Und dir Leonore möchte ich auch für diesen herrlich tiefen Samstag-Abend inklusive Übernachtung danken. Ihr alle, die da um mich seit, ihr streichelt meine Seele. Es ist für mich ein großes Geschenk.
Jetzt bekomme ich Pipi in die Augen.